Berliner Testament und dessen Bindungswirkung – was gilt ?
Der Begriff der Bindungswirkung betrifft die Frage, ob nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten neu testiert werden kann. Konkret steht die Frage der Testierfreiheit im Raum, d.h. ist der überlebende Ehegatte in erbrechtlicher Hinsicht gebunden oder kann er neu testieren.Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Konstellationen zu unterscheiden:

1. Fall: Es sind gemeinsame ehelichen Kinder  oder Verwandte im Sinne von § 1589 BGB als Schlusserben eingesetzt
Was die gegenseitige Verfügung der Ehepartner betrifft – man setzt sich gegenseitig zum Erben des Anderen ein – wird die Bindungswirkung kraft Gesetzes  gem. § 2270 Abs. 2 BGB bei dieser Konstellation vermutet. Dies hat zur Folge, dass der Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden danach keine neue, vom Wortlaut des ursprünglichen Testaments abweichende letztwillige Verfügung errichten kann. In diesem Fall gilt die gesetzliche Regel des Vorrangs des aktuelleren Testamentes (§ 2258 BGB) nicht. Der überlebende Ehegatte kann dann wegen der Vorschrift des § 2270 Abs. 2 BGB keine anderen Schlusserben als die gemeinsamen ehelichen Kinder oder Verwandten mehr einsetzen. Die Schlusserben bilden dann, sofern keine andere Regelung getroffen wurde, eine Erbengemeinschaft im Sinne von § 2032 BGB.

2. Fall: Es sind Personen eingesetzt, die nicht mit den Erblassern verwandt (§ 1589 BGB) sind ?
Bei diesem Sachverhalt ist eine Bindungswirkung der Testierenden in dem o.g. Sinne nur dann anzunehmen, wenn Sie dem Erblasser „sonst nahe stehen“ (§ 2070 Abs. 2 BGB).D.h. es muss ein Verhältnis bestehen, das dem entspricht, welches man zu seinen Kindern oder nahe Verwandten hat. In Betracht kommen hierfür Pflegekinder, aufgenommene Kinder des Ehepartner, etc. Nicht in diesen Personenkreis fallen Bekannte, Nachbarn, Freunde. In diesen Fällen ist von einer Testierfreiheit auszugehen. Der überlebende Ehegatte kann also eine andere Person als Erbe einsetzen, als ursprünglich vorgesehen.

 

Wie kann eine Bindungswirkung beim Berliner Testament aufgehoben werden ?
1.Widerruf gem. § 2271Abs. 1 BGB zu Lebzeiten beider Ehegatten
Nach dem Tod ist der überlebende Ehegatte bei einem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute nach dem Tod eines Ehepartners an die wechselseitigen Verfügungen gebunden. Somit wäre eine Änderung der Einsetzung eines Schlusserben dann nicht mehr möglich. Unter Umständen kann gilt dies gem. § 2268 Abs. 2 BGB ausnahmsweise sogar für den Fall der vorherigen Ehescheidung gelten. Einseitige Verfügungen können zu Lebzeiten jederzeit abgeändert werden. Wechselbezügliche Verfügungen sind dagegen nur – unter Hinweis auf die erbrechtlichen Vorschriften – in dem engen Rahmen von §§ 2271 I S. 1, 2296 BGB.  D.h. es muss eine Ausfertigung der notariellen Rücktrittserklärung dem Ehepartner gem. § 130 BGB zugehen, um wirksam zu werden. Aus Gründen des Nachweises ist eine öffentliche Zustellung ratsam.

2. Ausschlagung der Erbschaft
Nach dem Tod eines Ehegatten kann der überlebende Ehepartner seine Testierfreiheit nur dadurch wieder erlangen, indem er innerhalb der gesetzlichen Frist die Erbschaft ausschlägt. Hierbei ist ein Zeitraum von 6 Wochen ab Kenntnis des Todesfalles hinzuhalten (§§ 1942, 1944 BGB). Die Möglichkeit zur Ausschaltung kann in einem Testament nicht ausgeschlossen werden.

3.) Anfechtung
Dagegen kann die Möglichkeit der Selbstanfechtung (§§ 2281 ff, 2078, 2079 BGB analog) sehr wohl ausgeschlossen werden. Geschieht dies nicht, kann sich der überlebende Ehepartner die Vorschriften entsprechend von den testamentarischen Bestimmungen lösen.

 

 

 

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Dr. Stefan Günther

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